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Deglobalisierung

Deglobalisierung: Keine Lösung oder echte Perspektive?

Was eine Entkopplung globaler Wirtschaftsverflechtungen bedeutet

Die Corona-Krise hat die Welt verändert. Schon jetzt steht fest, dass einige Branchen und sogar ganze Volkswirtschaften anders aufgestellt sind als noch vor der Krise. Die Wirtschaft muss sich neu sortieren. Auch Lieferketten müssen reorganisiert werden:

Seit rund 20 Jahren ist die Globalisierung DER Wachstumsmotor unserer Weltwirtschaft. Die globalisierte Welt mit ihrem eng verzahnten globalen Wirtschaftsverflechtungen bietet dabei zweifellos einiges an vielfältigen Vorteilen: Konsumenten können auf eine Riesenmenge von Waren zurückgreifen, Unternehmer meistens zu günstigen Konditionen produzieren und der Wohlstand außerhalb der Industrienationen nimmt vielerorts zu. Nachteilig ist, dass globale Märkte das Wohl und Wehe eines einzelnen potenten Players zu spüren bekommen können. Die weltweite Corona-Krise ist augenblicklich der Trigger für unübersehbare Veränderungen.

Seit Beginn der Corona-Krise hat sich einiges verändert. Es gibt unübersehbare Anzeichen, dass die weltweite Krise graduell einzelne Wirtschaftsstandorte rund um den Globus wieder voneinander entkoppelt. Renommierte Manager weltweit tätiger Konzerne weisen darauf hin, dass sich Wirtschaftsräume als Folge der Krise bis auf Weiteres unterschiedlich entwickeln. Spannend wird sein zu beobachten, wie weitreichend die Folgen sind. Für die Weltwirtschaft wäre ein weitflächiger Zusammenbruch der globalen Logistikketten gravierend: geschwächte Logistikketten bedeuten, dass die Deglobalisierung in Fahrt kommt. Zurecht stellt sich daher die Frage, wie effizient die erfolgreiche Bekämpfung der Krise in einem Wirtschaftsraum sein kann, wenn in einzelnen Branchen Produktion und Logistikketten weiter unterbrochen sind?

Die Automobilindustrie in Deutschland hat diesen Effekt besonders schmerzlich zu spüren bekommen. Noch extremer waren die Folgen für systemisch wichtige Industrien. Beinahe „lebensgefährlich“ ist es im wahrsten Sinne, wenn man bspw. bei Arzneimitteln auf Importe aus Regionen angewiesen ist, die im „Lockdown“ sind. Der einzig Erfolg versprechende Weg aus dem Dilemma ist womöglich ein Rückschritt in frühere Zeiten. „Deglobalisierung“ lautet das Zauberwort, so scheint es jedenfalls. Fakt ist zumindest: Wegen Corona ist heute kaum mehr etwas wie früher. Manches scheint gar nicht mehr zu ändern. Einzelne Branchen und auch ganze Volkswirtschaften werden anders aus der Krise herauskommen, als sie vorher aufgestellt waren. Doch nicht nur das. Weltweit führen Erhöhungen der Staatsverschuldung, deutlich höhere Arbeitslosigkeit, verstärkte Stadtflucht sowie weniger Reisen und der Trend zur Digitalisierung zu Veränderungen, die vor einem Jahr überhaupt nicht denkbar waren. Das alles hat erhebliche Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Menschen mit den entsprechenden Konsequenzen für die Entwicklung von Wirtschafts- und Währungsräumen.

Jürgen Kestler, Geschäftsführer der Solvium Capital Vertriebs GmbH, ist sich sicher, „dass sich die globalen Wirtschaftsräume als Folge der Corona-Pandemie bis auf Weiteres unterschiedlich entwickeln werden.“ Volkswirtschaften mit gutem Krisenmanagement haben aufgrund der gemachten Erfahrungen nun eine ökonomisch bessere Ausgangsposition, so Kestler. Benachteiligt sind die, die häufig großflächige Lockdowns verordnen mussten. Diese regionalen Unterschiede können wiederum zu Unterbrechungen der globalen Logistikketten führen. Aus Kestlers Sicht kann das zum Problem werden. Corona pusht einen Prozess der Deglobalisierung, in dem auch Lieferketten reorganisiert werden. Die Unternehmen müssen darauf Antworten haben. „Da Pandemien auch künftig nicht ausgeschlossen sind, ist eine Unabhängigkeit von lokalen Virusausbrüchen essenziell nötig“, so die Devise für Kestler.

Frank Appel, Chef der Deutschen Post, erwartet hingegen kein Ende der Globalisierung. „In der Pandemie zeigt sich: Globalisierung ist nicht das Problem, sondern die Lösung”, so Appel, der sich auch sicher ist, dass sein Konzern gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Im zweiten Quartal legte der Umsatz um rund drei Prozent auf knapp 16 Milliarden Euro zu. Der auf die Aktionäre entfallende Gewinn erhöhte sich sogar um 14,6 Prozent auf 525 Millionen Euro. Für die Zukunft ist Appel optimistisch. Seiner Meinung nach ermögliche erst die Globalisierung bspw. die Versorgung der Menschen mit täglichen Bedarfsgütern. Zudem helfe die Globalisierung, wirtschaftliche Folgen durch stabile Lieferketten und den Zugang zum Weltmarkt zu mildern. „Daher glauben wir nicht an ein Ende der Globalisierung“, sagte Appel. Zwar könnten sich Lieferketten nach Corona verändern – z.B. weil die Hersteller ihre Produktion geografisch stärker verteilten, um so weniger abhängig von einzelnen Länder zu sein. Doch das bedeute am Ende mehr globalen Austausch, nicht weniger, meint Appel.

Wirtschaftsforscher des Ifo Institut sehen in der Deglobalisierung ebenfalls keine Lösung. In Deutschland würde eine Renationalisierung und das Zurückholen der Produktion zu deutlich höheren Einkommens- und Wohlstandsverlusten führen. Zu dem Schluss kommt das Institut in einer im Juli erschienenen Studie. „Die Globalisierung zurückzudrehen, also zum Beispiel Produktion in größerem Umfang nach Deutschland zurückzuholen, wäre keine Lösung für die aktuelle Krise“, meint Lisandra Flach, Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft. „In einer weniger integrierten Welt läge unsere Wirtschaftsleistung bereits heute auf einem weitaus geringeren Niveau“, fügt sie an. „In einer Welt mit um 100 Prozentpunkte erhöhten Handelskosten zwischen allen Handelspartnern würde der Covid-19-Schock zu einer Verringerung des realen Einkommens von 7,4 Prozent führen“, ergänzt Marina Steininger, Co-Autorin der Studie. In einer offenen Welt sinkt das Niveau des realen Einkommens laut den Experten um 9,1 Prozent. In einer weniger globalisierten Welt würde in Deutschland das BIP durch die Krise auf ein Niveau von 1996 zurückgeworfen werden. Das heißt: Durch die Globalisierung werden beteiligte Länder früher auf ein Niveau gehoben, das ohne weltweite Wertschöpfung unerreicht wäre. „Trotz der höheren Sensibilität einer globalisierten Welt ist Deglobalisierung [..] keine Lösung, um die Folgen einer globalen Pandemie zu minimieren.“

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